Berufsförderung als Chance?

Berufsförderung als Chance?

 

 

 

von: Nicole Dietrich

Rainer Hampp Verlag, 2007

ISBN: 9783866181045

Sprache: Deutsch

177 Seiten, Download: 1356 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Berufsförderung als Chance?



2 Benachteiligte Jugendliche ohne Normalbiographie (S. 39-40)

2.1 Begriff „Benachteiligung"

Der Benachteiligtenbegriff schließt nach Bisler vor allem die soziale Benachteiligung und die individuelle Beeinträchtigung ein. Dies wird in der Definition von Jugendsozialarbeit deutlich. Diese kennzeichnet sich dadurch, „(...) dass sie Angebote für Kinder und Jugendliche in belastenden bzw. belasteten Lebenslagen entwickelt und bereitstellt, und dass ihr persönlicher Anwendungsbereich durch die Begriffsmerkmale „soziale Benachteiligung" und „individuelle Beeinträchtigung" charakterisiert ist" (Bisler 2001: 121f.).

Den Ausgangspunkt einer individuellen Beeinträchtigung bilden individuelle psychische, physische oder persönliche Probleme der Betroffenen, wie z.B. Verschuldung oder eine Behinderung. Sie sind daher nicht in der Lage, sich störungsfrei zu entwickeln und können deshalb bestimmte Anforderungen in der Gesellschaft nicht erfüllen. Zur Gruppe der individuell Beeinträchtigten gehören unter anderem seelisch oder körperlich Behinderte (vgl. Bisler 2001: 122f.).

Soziale Benachteiligung charakterisiert Bisler als „(...) relative Zurücksetzung von Menschen im Wettbewerb um den Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen der Lebensfristung und Lebensgestaltung (...)" (Bisler 2001: 122). Die Betroffenen gelten als sozial benachteiligt, wenn ihre Lebenschancen erheblich eingeschränkt werden, weil sie einer bestimmten Gruppe angehören, wie z.B. sozial schwachen Familien mit einfachen, problematischen Lebensverhältnissen oder einer ethnischen Minderheit etc. (vgl. Bisler 2001: 122).

Nach Böhnisch und Schröer ist das Problem der sozialen Ungleichheit im Benachteiligtenbegriff zu berücksichtigen. Im Ungleichheitsgefüge wird die horizontale von der vertikalen Ungleichheit unterschieden, wobei in fortgeschrittenen Industriegesellschaften zunehmend von horizontaler Ungleichheit bei Fortbestehen der vertikalen Ungleichheit auszugehen ist, d.h. es existiert ein Zusammenhang zwischen sozialer Benachteiligung und horizontaler Ungleichheit (vgl. Böhnisch/ Schröer 2004: 468f.). Während bei vertikaler Ungleichheit die Gesellschaftsmitglieder nach bestimmten Schichten eingestuft werden, äußert sich horizontale Benachteiligung „(...) in den unterschiedlich verteilten, sozialstrukturell segmentierten Erreichbarkeiten und Zugängen" (Böhnisch/ Schröer 2004: 469). Dies impliziert das Wechselspiel von Chancen und Risiken für alle Gesellschaftsmitglieder, wobei ein Teil Chancen erhält und andere mit den Risiken leben müssen (vgl. Böhnisch/ Schröer 2004: 469). Die Problematik sozialer Benachteiligung schließt somit die zwei Prozesse soziale Segmentierung und zunehmende Entgrenzung der Übergänge im Lebenslauf ein (vgl. Böhnisch/ Schröer 2004: 470). Somit entsteht soziale Benachteiligung, „(...) wenn ‚die Möglichkeiten des Zugangs zu allgemein verfügbaren und erstrebenswerten sozialen Gütern und/ oder zu sozialen Positionen (...) dauerhafte Einschränkungen erfahren und dadurch Lebenschancen der betroffenen Individuen und Gruppen (...) beeinträchtigt‘ werden" (Böhnisch/ Schröer 2004: 471).

Die Zielgruppe der vorliegenden Studie erfüllt aufgrund ihrer mangelhaften schulischen und familiären Sozialisation das Kriterium der sozialen Benachteiligung, d.h. die Ausgangsbedingungen ihrer persönlichen und sozialen, schulischen und beruflichen Entwicklung sind gestört. Ausgehend von dieser prekären Lage haben die Jugendlichen von Beginn an schlechte Startchancen und somit große Probleme bei dem Übergang ins Erwerbsleben. Dies führt letztendlich zum sozialen Ausschluss aus dem Ausbildungs- und später aus dem Arbeitsmarkt.

Es wird darüber diskutiert, ob die Bezeichnung „Benachteiligung" die Betroffenen zusätzlich diskriminiert. Bisler stimmt diesem nicht zu, sondern ist der Meinung, dass der Benachteiligtenbegriff sogar einen Rechtsanspruch der Jugendlichen darstellt. Er begründet dies mit der gesetzlichen Verpflichtung der Jugendsozialarbeit, den Betroffenen zu helfen, um Benachteiligungen abzubauen oder auszugleichen und jeden Jugendlichen zu einem eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Menschen zu erziehen und seine Entwicklung zu fördern (vgl. Bisler 2001: 119f.). Mit diesem Rechtsanspruch akzeptiert der Staat die Jugendphase als eigenständige Lebensphase, die mit einem besonderen Risiko behaftet ist, da die Betroffenen durch soziale Benachteiligung oder durch Dritte dauerhaft in ihrer Entwicklung gestört werden können (vgl. Bisler 2001: 120).

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