Ungleichheit - Was wir dagegen tun können

Ungleichheit - Was wir dagegen tun können

 

 

 

von: Anthony B. Atkinson

Klett-Cotta, 2016

ISBN: 9783608100433

Sprache: Deutsch

540 Seiten, Download: 5205 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Ungleichheit - Was wir dagegen tun können



Einleitung


Ungleichheit spielt heute in der öffentlichen Debatte eine wichtige Rolle. Viel wird über das 1 Prozent und die 99 Prozent geschrieben, und das Ausmaß der Ungleichheit ist den Menschen heute bewusster als jemals zuvor. Barak Obama, der Präsident der Vereinigten Staaten, und Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), haben die zunehmende Ungleichheit zur epochalen Aufgabe erklärt. In seinem Global-Attitudes-Projekt wollte das Pew-Forschungsinstitut 2014 wissen, was die Befragten für »die größte Bedrohung der Welt« hielten. Es stellte fest, das in den USA und in Europa »die Sorge über die Ungleichheit alle anderen Gefahren in den Schatten stellt«.1

Doch was lässt sich tun, wenn wir es ernst meinen mit der Verringerung der Einkommensungleichheit?

Wie können wir das geschärfte öffentliche Bewusstsein in Maßnahmen und Handlungen überführen, die die Ungleichheit tatsächlich reduzieren?

In diesem Buch entwerfe ich eine Übersicht von Maßnahmen, die nach meiner Überzeugung die Ungleichheit der Einkommensverteilung verringern könnte. Indem ich aus der Geschichte zu lernen und die zugrundeliegenden wirtschaftlichen Verhältnisse aus einer neuen Sicht – der Verteilungsperspektive – zu betrachten versuche, möchte ich zeigen, was getan werden kann, um das Ausmaß der Ungleichheit zu reduzieren. Dabei bin ich durchaus optimistisch. Die Welt steht vor großen Problemen, doch gemeinsam sind wir keineswegs hilflos gegenüber den Kräften, die sich der Kontrolle des Einzelnen entziehen. Die Zukunft liegt weitgehend in unserer Hand.

Gliederung des Buchs


Das Buch gliedert sich in drei Teile. Teil I beschäftigt sich mit der Diagnose.

Was meinen wir mit Ungleichheit und wie groß ist ihr gegenwärtiges Ausmaß?

Gab es Zeiten, in denen die Ungleichheit zurückging, und wenn ja, was können wir aus diesen Perioden lernen? Was verraten uns die Wirtschaftswissenschaften über die Ursachen der Ungleichheit? Ein Kapitel führt ohne Zusammenfassung zum nächsten weiter; eine »Zwischenbilanz« liefere ich allerdings am Ende von Teil I. Im zweiten Teil schlage ich fünfzehn staatliche Maßnahmen zur Verringerung der Ungleichheit vor. Der ganze Katalog der Vorschläge und fünf weitere »erwägenswerte Ideen« werden am Schluss von Teil II aufgelistet. In Teil III erörtere ich eine Reihe von Einwänden gegen meine Vorschläge.

Können wir uns ein Programm zur Verringerung der Ungleichheit leisten?

Können wir die Unterschiede ausgleichen, ohne Arbeitsplätze einzubüßen oder das Wirtschaftswachstum abzubremsen? »Der Weg nach vorn« fasst die Vorschläge sowie die Maßnahmen, die zu ihrer Verwirklichung führen könnten, noch einmal zusammen.

Indem es die Bedeutung von Ungleichheit erörtert und einen ersten Blick auf die Daten über ihr Ausmaß wirft, gibt Kapitel 1 den Rahmen vor. »Ungleichheit« ist Gegenstand vieler Diskussionen, erzeugt aber auch große Verwirrung, da der Begriff für verschiedene Menschen ganz Unterschiedliches bedeutet. Ungleichheit entsteht in vielen Bereichen menschlicher Tätigkeit. Menschen besitzen ungleiche politische Macht. Menschen sind ungleich vor dem Gesetz. Selbst wirtschaftliche Ungleichheit, auf die ich mich hier konzentriere, lässt sich unterschiedlich interpretieren. Die Art der Ziele und ihre Beziehungen zu gesellschaftlichen Werten müssen geklärt werden.

Wenn sich der Leser Daten über Ungleichheit gegenübersieht, muss er immer fragen: Ungleichheit von was, Ungleichheit zwischen wem?

Beschäftigen wir uns mit Chancenungleichheit oder Ergebnisungleichheit? Um welche Ergebnisse soll es uns gehen? Sollen wir uns nur auf Armut konzentrieren?

Dann bietet das Kapitel eine erste Beschreibung wirtschaftlicher Ungleichheit und des Wandels, den diese in den letzten hundert Jahren durchlaufen hat. Das soll nicht nur zeigen, warum Ungleichheit heute im Vordergrund des Interesses steht, sondern auch die wichtigsten Dimensionen der Ungleichheit in den Blick rücken.

Unter anderem möchte ich in diesem Buch verdeutlichen, wie wichtig es ist, aus der Vergangenheit zu lernen. Wenn der spanische Philosoph George Santayana in The Life of Reason festhält: »Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen«, mag das zwar ein Gemeinplatz sein, doch wie viele Gemeinplätze enthält er auch ein Gramm Wahrheit.2 Die Vergangenheit liefert uns einen Maßstab, um beurteilen zu können, was sich im Kampf gegen Ungleichheit erreichen lässt, und sie gibt Hinweise, wie wir dies bewerkstelligen können. Glücklicherweise ist die historische Einkommensverteilung ein Forschungsbereich, in dem während der letzten Jahre erhebliche Fortschritte erzielt wurden. Eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung des vorliegenden Buchs waren die in Kapitel 2 beschriebenen verbesserten empirischen Daten über die zeitliche Entwicklung der wirtschaftlichen Ungleichheit.

Diese Daten sind sehr aufschlussreich, vor allem zeigen sie, wie die Ungleichheit während der Nachkriegsjahrzehnte in Europa verringert wurde. Zwar begann dieser Rückgang der Ungleichheit schon während des Zweiten Weltkriegs, aber er war auch das Ergebnis mehrerer ausgleichender Einflüsse in der Zeit von 1945 bis in die Siebzigerjahre. In den Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts verloren diese Ausgleichsmechanismen, darunter auch bewusste politische Bestrebungen, ihre Wirkung oder schlugen sogar in ihr Gegenteil um. Das nenne ich die »Ungleichheitswende«. Seither nimmt die Ungleichheit in vielen Ländern zu (aber nicht in allen, wie ich am Beispiel Lateinamerikas erörtere).

Die Kräfte, die in den Nachkriegsjahrzehnten zur Verringerung der Ungleichheit führten, können als Richtschnur für die Entwicklung künftiger Strategien dienen, doch die Welt hat sich seither tiefgreifend verändert.

In Kapitel 3 geht es um die heutige Ökonomie der Ungleichheit. Hier beginne ich mit der Lehrmeinung, nach der die beiden Kräfte technischer Wandel und Globalisierung die Arbeitsmärkte der Industriestaaten wie der Entwicklungsländer grundlegend verändern. Durch diese beiden Kräfte öffnet sich die Schere der Einkommensverteilung immer weiter. Der technische Fortschritt ist keine Naturgewalt, sondern Ausdruck gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entscheidungen. Entschlüsse von Firmen, Einzelpersonen und Regierungen können die Richtung der technischen Entwicklung und damit die Einkommensverteilung beeinflussen. Das Gesetz von Angebot und Nachfrage mag zwar den Löhnen, die gezahlt werden, Grenzen setzen, es lässt aber noch viel Raum für den Einfluss allgemeinerer Faktoren. Wir brauchen eine abgestufte, nuancierte Analyse, die den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kontext mit einbezieht. Die Lehrmeinung konzentriert sich auf den Arbeitsmarkt und lässt den Kapitalmarkt außer Acht. Der Kapitalmarkt und die damit zusammenhängende Frage nach der Gewinnbeteiligung am Gesamteinkommen waren früher zentrale Aspekte bei der Analyse der Einkommensverteilung, und sie sollten dies auch heute wieder werden.

Nach der Diagnose kommt das Handeln. Teil II beginnt mit einer Reihe von Vorschlägen, die den Grad der Ungleichheit in unseren Gesellschaften erheblich senken könnten. Das betrifft nicht nur die fiskalische Umverteilung – so wichtig sie auch ist –, sondern viele Bereiche. Für uns alle sollte die Verringerung der Ungleichheit ein vordringliches Anliegen sein. Innerhalb der Regierung fällt sie in die Ressorts von Wissenschafts- und Sozialministerium; sie ist ein Aspekt der Wettbewerbspolitik und der Reform des...

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