Produktionslogistik

Produktionslogistik

 

 

 

von: Marion Steven

Kohlhammer Verlag, 2015

ISBN: 9783170286382

Sprache: Deutsch

232 Seiten, Download: 4453 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Produktionslogistik



2         Prognosemodelle


Die Prognose der auf den verschiedenen Wertschöpfungsstufen zukünftig benötigten Materialmengen ist eine wichtige Aufgabe im Rahmen der der Beschaffungslogistik. Bedarfsprognosen dienen nicht nur der direkten oder indirekten Ermittlung von Beschaffungsmengen, sondern sie sind auch eine wesentliche Grundlage für verschiedene Planungsaufgaben im Produktionsbereich. Von der Qualität der Bedarfsprognosen hängen insbesondere die Höhe der Lagerbestände und damit auch die Lagerhaltungskosten bei Vor-, Zwischen- und Endprodukten, die Lieferfähigkeit und der vom Kunden wahrgenommene Servicegrad sowie die Kapazitätsauslastung im Produktions- und im Logistikbereich ab. Ausgehend von den grundlegenden Bedarfsverläufen werden verschiedene Prognoseverfahren dargestellt und anhand von Beispielen veranschaulicht.

 

Leitfragen:

Welche Bedeutung haben Zeitreihen für die Bedarfsprognose?

Welche Formen des Bedarfsverlaufs lassen sich unterscheiden?

Welches Prognoseverfahren eignet sich für welchen Bedarfsverlauf?

Was ist ein Prognosefehler?

Wodurch unterscheiden sich der α- und der β-Servicegrad?

Wie wirkt sich der Servicegrad auf den Lagerbestand aus?

2.1        Zeitreihen


Je exakter die Bedarfsmengen und -zeitpunkte vorhergesagt werden können, desto besser lassen sich Kundenwünsche erfüllen und desto geringer sind der benötigte Lagerbestand und damit die Lagerhaltungskosten. Gerade im Zusammenhang mit Lieferbeziehungen in globalen Supply Chains, in denen sich jedes beteiligte Unternehmen auf seine Kernkompetenzen konzentriert, gewinnen gute Bedarfsprognosen an Bedeutung.

Zukünftige Bedarfsmengen sind unsicher, soweit sie sich nicht aus festen Lieferverträgen ableiten lassen. Die nachfolgend dargestellten Prognoseverfahren beruhen auf Zeitreihen, d. h. auf der Auswertung von über einen bestimmten Zeitraum beobachteten Bedarfsmengen der Vergangenheit. Aus diesen lassen sich dann auf der Basis bestimmter Modellannahmen Aussagen über zukünftige Bedarfsmengen herleiten. Dabei erfolgt eine deterministische Informationsverarbeitung für den eigentlich stochastischen Nachfrageprozess.

Grundsätzlich lassen sich folgende Prognosearten unterscheiden:

•  Bei einer univariaten Prognose werden ausschließlich die Daten in der betrachteten Zeitreihe verwendet, d. h. in diesem Fall die Nachfragewerte der Vergangenheit.

 

•  Bei multivariaten Prognosen treten zusätzliche Informationen hinzu, die in einem kausalen Zusammenhang mit der Bedarfsentwicklung stehen, z. B. werden auch Daten hinsichtlich des Konjunkturverlaufs, des Lebenszyklus des Produkts oder der Marktentwicklung adäquat berücksichtigt.

Abb. 2.1 zeigt, in welchen Bereichen Prognoseverfahren in Abhängigkeit vom Fertigungstyp (vgl. hierzu Steven 2013, S. 59ff.) ihren Einsatzbereich haben.

Abb. 2.1 Bestimmung von Bedarfsmengen

•  Bei auftragsorientierter Fertigung ergibt sich das Produktionsprogramm aus den vorliegenden Kundenaufträgen, so dass sich die für dessen Herstellung benötigten Materialmengen grundsätzlich vollständig über die Stücklistenauflösung ermitteln lassen (programmgesteuerte Bedarfsermittlung). Dennoch wird diese aufwändige Methode häufig nur für die A- und B-Teile mit einem hohen Materialwert durchgeführt, während für die große Anzahl an geringwertigen C-Teilen die Bedarfsermittlung auf der Basis von Vergangenheitswerten prognostiziert wird oder mithilfe von einfachen, am Verbrauch ausgerichteten Verfahren erfolgt (verbrauchsorientierte Bedarfsermittlung).

 

•  Bei einer marktorientierten Fertigung hingegen werden bereits die Bedarfsmengen der Endprodukte entweder aus den Nachfragemengen der Vergangenheit oder multivariat prognostiziert. Die für die Produktion benötigten Materialmengen werden wie bei der auftragsorientierten Fertigung entweder aus Stücklisten und Rezepturen abgeleitet oder aus Vergangenheitswerten prognostiziert. Rezepturen treten in der prozesstechnischen Industrie, z. B. bei der Herstellung von Lebensmitteln oder Chemieprodukten, an die Stelle von Stücklisten.

Zur Auswahl des für den jeweiligen Bedarfsverlauf adäquaten Prognosemodells ist zunächst eine Voranalyse der Zeitreihe erforderlich, bei der diese in eine glatte Komponente , die den tendenziellen Verlauf der Zeitreihe angibt, sowie eine Restkomponente bzw. Störgröße zerlegt wird. Diese Störgröße wird üblicherweise als standardnormalverteilt angenommen, so dass sich die Störeffekte im Mittel ausgleichen. Der Schätzwert für den Bedarf der Periode t wird berechnet, indem die glatte Komponente und die Störgröße entweder additiv oder multiplikativ verknüpft werden.

 

2.2        Bedarfsverläufe


Grundsätzlich kann der Verlauf der glatten Komponente einem der drei folgenden Bedarfsmuster unterliegen (vgl. Vahrenkamp 1994, S. 90ff.):

•  Bei einem konstanten Bedarfsverlauf ist der Bedarf jeder Periode im Mittel gleich hoch, d. h. die Bedarfswerte schwanken um einen langfristig konstanten Mittelwert a (vgl. Abb. 2.2). Aufgrund des Einflusses der Störgröße kommt es zu unregelmäßigen Schwankungen des tatsächlichen Bedarfs um diesen Mittelwert, auf die das Unternehmen insbesondere durch Vorhalten eines Sicherheitsbestands reagieren kann. Ein solcher Bedarfsverlauf liegt z. B. bei Grundnahrungsmitteln vor. Das zugehörige Prognosemodell lautet:

 

                                                    mit:

Abb. 2.2 Konstanter Bedarf

•  Ein trendförmiger Bedarfsverlauf bedeutet, dass der Bedarf langfristig eine steigende oder eine fallende Tendenz aufweist. Auch wenn ein solcher Trend prinzipiell linear oder nichtlinear sein kann, geht man vielfach von einem linearen Trend aus, da sich die zugehörige Funktion numerisch leichter schätzen lässt (vgl. Abb. 2.3). Ein Beispiel für einen langfristig ansteigenden Bedarfsverlauf ist der Weltenergieverbrauch; langfristig fallender Bedarf liegt aufgrund der derzeitigen Bevölkerungsentwicklung in Deutschland für Produkte des Baby- und Kinderbedarfs vor. Zur Prognose eines linearen, trendmäßigen Bedarfsverlaufs sind zwei Parameter erforderlich, wobei zu einem steigenden und zu einem fallenden Trend führt:

 

        

Abb. 2.3 Trendförmiger Bedarf

    Häufig bereitet es Probleme, einen Trend rechtzeitig zu erkennen und nicht mit zufälligen Bedarfsschwankungen bei einem konstanten Bedarfsverlauf zu verwechseln. Weiter muss man bei Annahme eines linearen Trends regelmäßig überprüfen, ob eine Trendänderung vorliegt, die eine Anpassung der Schätzparameter erfordert.

•   Saisonabhängiger Bedarf liegt vor, wenn sich in der Zeitreihe periodisch wiederkehrende Bedarfsspitzen und -täler erkennen lassen (vgl. Abb. 2.4). Zur Prognose von saisonalem Bedarf ist ein trigonometrischer Ansatz erforderlich, z. B.:

            

 

    Dabei kann – in Abhängigkeit vom jeweiligen Artikel – die Länge eines Saisonzyklus recht unterschiedliche Längen aufweisen. So unterliegen z. B. Sportausrüstungen, die zu bestimmten Jahreszeiten benötigt werden, einer jährlichen Saison, die Nachfrage nach Zeitschriften steigt und fällt in Abhängigkeit von ihrem Erscheinungsturnus, der Absatz von Fisch ist typischerweise freitags und in der Fastenzeit am höchsten, bei frischen Brötchen liegt ein täglicher Zyklus mit einer Nachfragespitze am frühen Vormittag vor. Damenoberbekleidung weist...

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