Werkstoffkunde (Lernmaterialien)

Werkstoffkunde (Lernmaterialien)

 

 

 

von: Olaf Jacobs

Vogel Communications Group GmbH & Co. KG, 2005

ISBN: 9783834330086

Sprache: Deutsch

337 Seiten, Download: 7149 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop
Typ: B (paralleler Zugriff)

 

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Werkstoffkunde (Lernmaterialien)



9 Werkstoffauswahl (S. 287-288)

9.1 Lernziele

Nachdem Sie die Kapitel 4 bis 8 bearbeitet haben, kennen Sie die wichtigsten Werkstoffe des Maschinenbaus. Aber wann setzt man welchen Werkstoff ein? Mit dieser Frage befasst sich das letzte Kapitel. Nach Bearbeitung dieses Kapitels sollen Sie:

• die wichtigsten Gruppen von Auswahlkriterien sowie typische Kriterien aus diesen Gruppen benennen,
• Werkstoffspezifikationen – auch für konkrete Beispiele – erstellen,
• für beispielhafte Anwendungsfälle verschiedene Werkstoffe bezüglich ihrer Eignung qualitativ bewerten,
• Informationsquellen über Werkstoffe und deren Eigenschaften benennen und bei der Werkstoffauswahl anwenden und
• die Integration einer zielorientierten Werkstoffauswahl in die Produktentwicklung erläutern können.

9.2 Einleitung

Bereits in Kapitel 1 haben wir uns damit befasst, dass die Werkstoffauswahl entscheidend die wirtschaftlichen und technischen Eigenschaften eines Produkts beeinflusst. Allzu häufig werden diese Zusammenhänge nicht berücksichtigt. Die Werkstoffauswahl wird eher nach dem Motto „wat de Buer nich kennt, dat freet he nich" getroffen. Man greift lieber auf vertraute Werkstoffe zurück, mit denen man umzugehen weiß und deren Tücken und Möglichkeiten man gut kennt. Häufig passiert dies auch unbewusst: Der Konstrukteur kommt im Entwicklungsprozess gar nicht auf die Idee, einen anderen Werkstoff zu berücksichtigen. Er denkt stattdessen linear das weiter, was er schon immer gemacht hat. Es müsste schon ein großer Zufall sein, wenn dabei das wirtschaftliche und technische Optimum herauskäme. Wenn Sie ein neues Produkt entwickeln oder ein Produkt weiterentwickeln: Zwingen Sie sich selbst, Varianten aus verschiedenen Werkstoffen zu konzipieren und zu bewerten. Dadurch können Sie wirtschaftliche und technische Innovationspotentiale aufdecken.

Das ist nicht immer leicht. Wenn Sie andere Werkstoffe als die gewohnten verwenden, müssen Sie das Produkt häufig völlig anders gestalten und fertigen (siehe z.B. das CFK-Fahrrad in Kapitel 1). Die dafür nötigen Kenntnisse müssen Sie sich dann gelegentlich von anderen Fachleuten holen. Sie sollten sich also rechtzeitig bei den entsprechenden Werkstoff- und Fertigungsfachleuten informieren. Auch diesen Zusammenhang von Werkstoff, Fertigung und Gestalt haben wir bereits in Kapitel 1 kennen gelernt. Mit fortschreitender Produktentwicklung müssen Sie sich genauer auf den Werkstoff festlegen. In der Konzeptphase reicht häufig die Festlegung „Thermoplast" oder „Aluminium". In der Phase der Ausarbeitung müssen Sie dann schon konkreter werden (z.B. „hochfestes Al"), um sicherzustellen, dass Ihre Ideen auch umsetzbar sind. Bei der Detailkonstruktion schließlich müssen Sie den ausgewählten Werkstoff (z.B. 2024 T 351, das ist eine bestimmte Al-Legierung in einem bestimmten Wärmebehandlungszustand) und sein Eigenschaftsprofil genau benennen. Wir wollen im Folgenden betrachten, wie man für sein Produkt einen geeigneten Werkstoff auswählen kann, welche Hilfsmittel es gibt und wie man letztlich eine vernünftige (d.h. nicht unbewusst gefühlsgesteuerte) Entscheidung vorbereiten kann.

9.3 Werkstoffspezifikationen

Gelegentlich arbeite ich als Sachverständiger für Gerichte. Zugegeben: Die Fälle, die vor Gericht landen, sind nicht unbedingt repräsentativ – aber besonders ärgerlich. Eine häufige Ursache für die Streitfälle ist eine fehlende oder sorglose Spezifikation der Werkstoffeigenschaften. Die gleiche Erfahrung lässt sich tatsächlich in vielen Entwicklungsabteilungen – selbst in großen Konzernen – machen: Der Werkstoff wird meistens am Ende des Entwicklungsprozesses ausgewählt und dann oft mehr nach dem Rate- Prinzip. Oft werden dabei nicht alle Beanspruchungen berücksichtigt, die im Gebrauch auftreten, und dann kommt es nicht selten zu vorzeitigem Versagen. Der erste Schritt einer systematischen Werkstoffauswahl ist eine bauteilgerechte Anforderungsliste. Damit wollen wir uns in diesem Abschnitt befassen.

9.3.1 Vorgehensweise

Ziel ist es also, Entwürfe aus verschiedenen Werkstoffen zu konzipieren und systematisch zu bewerten. Dabei muss zunächst für jede Variante der geeignete Werkstoff aus den verschiedenen Werkstoffgruppen ausgewählt werden. Z.B. soll eine Variante aus dem geliebten alten Stahl entworfen werden, eine aus einem Leichtmetall, eine aus Kunststoffen und eine aus faserverstärkten Verbundwerkstoffen. Aber welcher Stahl, welches Leichtmetall bzw. welcher Kunststoff ist der bzw. das richtige? Spätestens jetzt benötigen Sie detaillierte Informationen über die in Frage kommenden Werkstoffe. Dazu können Sie sich beispielsweise an die anwendungstechnische Abteilung des Herstellers oder an technisch versierte Vertriebsingenieure der Werkstoffhändler wenden. Die werden Sie jedoch – wenn sie seriös arbeiten – fragen:

• Wie und wo soll das Bauteil eingesetzt werden?
• Welche Beanspruchungen (mechanisch, chemisch bzw. strahlenphysikalisch, thermisch usw.) muss Ihr Bauteil ertragen?
• Welche Lebensdauer soll das Bauteil haben?
• Welche fertigungstechnischen Randbedingungen sind vorhanden?

Bei der letzten Frage sollten Sie einen Fachmann für das jeweilige Verarbeitungsverfahren zu Rate ziehen. Sie sollten sich daher ggf. rechtzeitig überlegen, wo Sie das Bauteil fertigen lassen wollen, und dafür die entsprechende Beratung einfordern. Sie machen sich von den potentiellen Zulieferern weniger abhängig, wenn Sie diese Analyse bereits selbst durchgeführt und eine detaillierte, konkrete Werkstoffspezifikation vorbereitet haben.

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