Crashkurs Recruiting - Personalbeschaffung und -auswahl

Crashkurs Recruiting - Personalbeschaffung und -auswahl

 

 

 

von: Ina Fliegen

Haufe Verlag, 2018

ISBN: 9783648101629

Sprache: Deutsch

179 Seiten, Download: 767 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Crashkurs Recruiting - Personalbeschaffung und -auswahl



2   Das Anforderungsprofil: Wen genau suchen Sie?


Im vorangegangenen Kapitel ist bereits klar geworden: Ein abgestimmtes Anforderungsprofil ist die Basis jeder professionellen Personalsuche.

Mit dem Anforderungsprofil definieren Sie, wen - mit welchen Kompetenzen - Sie genau für eine vakante Position suchen.

Aber was ist eigentlich eine Kompetenz?

Übung

Bitte überlegen Sie, was aus Ihrer Sicht eine Kompetenz ist. Notieren Sie dazu ein paar Stichworte.

Schauen wir uns nun zwei Kompetenzdefinitionen an. Finden Sie Ihre Stichworte darin wieder?

„… die nachgewiesene Fähigkeit, Kenntnisse, Fertigkeiten sowie persönliche, soziale und methodische Fähigkeiten in Arbeits- oder Lernsituationen und für die berufliche und/oder persönliche Entwicklung zu nutzen (…) im Sinne der Übernahme von Verantwortung und Selbstständigkeit“ (Europäische Kommission, 2008).

Kompetenzen befähigen, Arbeitssituationen zu bewältigen und sich dadurch fachlich und persönlich weiterzuentwickeln. Entwicklung benötigt daher auch ein gewisses Ausmaß an selbstorganisiertem Handeln in unsicheren Situationen (Erpenbeck & von Rosenstiel, 2007).

Weitere Merkmale von Kompetenzen
  • Kompetenzen können Fähigkeiten, Fertigkeiten, Wissen, Kenntnisse, Erfahrungen oder auch Potenziale sein.

  • Kompetenz ist also ein begriffliches Konstrukt und nicht direkt beobachtbar.

  • Dadurch ist Kompetenz immer auch eine Zuschreibung durch einen Beobachter: Wir leiten Kompetenzen aus gezeigtem Verhalten, aus Worten, Gedanken, Indikatoren oder Ergebnissen ab.

  • Kompetenzen sind immer tätigkeitsbezogen.

    Es gibt nicht die eine Kompetenz für alle Tätigkeiten.

Im Anforderungsprofil unterscheidet man Muss- und Kannkriterien. Viele Muss- und Kannkriterien sind Kompetenzen, manchmal sind es aber auch Zertifikate oder Abschlüsse. Musskriterien sind quasi unabdingbare K.o.-Kriterien für die Bewältigung der Position. Ohne sie kann die Stelle nicht erfolgreich ausgeübt werden. Kannkriterien sind wünschenswert oder hilfreich, aber keine K.o.-Kriterien.

Je mehr Sie sich bei den Kriterien auf die wichtigsten Kompetenzen beschränken, desto fundierter können Sie diese diagnostisch prüfen. Wenn Sie zu viele Kriterien formulieren, laufen Sie Gefahr, aus Zeitmangel nur an der Oberfläche zu kratzen und im Interview „nur“ Ihre Kriterienliste abzuhaken. Am Ende können Sie aber nichts wirklich Fundiertes über die Kompetenzen eines Bewerbers sagen.

Praxisbeispiel

Safetyisfirst.de formuliert als Anforderungsprofil für den gesuchten Recruiter eine lange Liste erwünschter Kompetenzen. Die Liste mit gut 30 Kann- und Musskriterien dient als Grundlage für die Formulierung der Stellenanzeige und für den Fragenkatalog im Auswahlinterview.

Aufgrund der vielen Kriterien wird die Stellenanzeige lang und unübersichtlich. Potenzielle Bewerber können nicht erkennen, welche Anforderungen wirklich zentral sind.

Im 60-minütigen Interview zwischen Fachabteilung, HR und Bewerber bleibt nach ein wenig Smalltalk und wechselseitiger Vorstellung von Bewerber und Unternehmen noch gut eine Viertelstunde für die 30 Kriterien. Bei rund einer halben Minute pro Kriterium kann man nicht von fundierter Diagnostik sprechen. Man sammelt als Interviewer zwar ein paar Informationen, aber keine wirklich belastbaren Belege, ob der Bewerber die notwendigen Kompetenzen besitzt - oder nicht.

Um das Anforderungsprofil für eine Position festzulegen, stellen Sie sich zunächst die schon im Kapitel 1 zum Recruitingworkflow angerissenen Fragen:

  • Welche Aufgaben und Anforderungen sind zu erfüllen?

    Was tut der Stelleninhaber täglich, wöchentlich, monatlich, regelmäßig oder anlassbezogen?

  • Wie laufen die Arbeitsprozesse an dieser Stelle ab?

    In welche Prozesse, Aufgaben und Ziele ist die Stelle eingebunden?

    Wo ist die Stelle im Team angesiedelt?

  • Welche Verantwortungsspielräume bestehen?

    Wo muss der Stelleninhaber etwas entscheiden?

    Welche Konsequenzen entstehen aus seinem Handeln?

Aus diesen Vorüberlegungen zur Stelle leiten Sie die notwendigen Kompetenzen ab:

  • Welche Kompetenzen hat der Idealtyp für diese Stelle?

    Hier geht es um das Sollprofil aus der Perspektive der Stelle, unabhängig von früheren oder aktuellen Besetzungen mit konkreten Personen. So wird definiert, was die Stelle erfordert.

Eine pragmatische Hilfe bei der Festlegung des Anforderungsprofils ist ein Blick aus drei unterschiedlichen Perspektiven, also quasi durch drei unterschiedliche „Brillen“. Alle drei Brillen können nacheinander aufgesetzt werden:

  • die Top-down-Brille,

  • die Bottom-up- oder Critical-Incidents-Brille,

  • die Kompetenzmodell-Brille.

Eine ausführliche Darstellung verschiedener Arten von Anforderungsanalysen finden Sie bei Schuler & Mussel, 2016 sowie bei Koch & Westhoff, 2012.

Abb. 2: Drei geeignete Brillen für die Festlegung eines Anforderungsprofils, Quelle: Eigene Darstellung

Den Einsatz der drei Brillen lernen Sie nun nacheinander am Beispiel kennen.

Bei der Top-down-Brille steht der Unternehmens- oder Teamerfolg im Zentrum. Welche Ziele muss das suchende Team erreichen, um (weiterhin) erfolgreich zu sein? Sie können überlegen, woran der Teamerfolg gemessen wird und wann man beispielsweise am Ende des Jahres sagt, dass das Team „einen guten Job gemacht hat“ .

Überlegen Sie dazu, wie die gesuchte Person dem Team helfen kann, diese Ziele zu erreichen? Über welche Kompetenzen muss sie verfügen, um das Team dabei zu unterstützen, erfolgreich zu sein?

Praxisbeispiel

Bei Safetyisfirst.de wird das Anforderungsprofil für die offene Recruiterstelle nun systematisch definiert. Mit der Top-down-Brille wird begonnen.

Die Firma möchte künftig mehr internationale Kunden für ihre IT-Sicherheitsprojekte gewinnen. Zunächst sollen Pilotprojekte in Großbritannien akquiriert werden, später auch in anderen Ländern.

Das Recruitingteam von Safetyisfirst.de wird dann als erfolgreich beurteilt, wenn es die akquirierten Kundenprojekte zügig mit fähigen IT-Spezialisten besetzen kann. Der gesuchte Recruiter muss die Personalsuche künftig auf britische Recruitingmedien ausdehnen und wird die Auswahlinterviews auch in englischer Sprache durchführen.

Neben sehr guten englischen Sprachkenntnissen sollte die gesuchte Person über Kenntnisse des britischen Arbeits- und Recruitingmarkts verfügen und kulturelle Unterschiede zwischen deutscher und britischer Arbeitswelt kennen.

Aus den unternehmerischen Recruitingzielen ergeben sich mithilfe der Top-down-Brille folgende Anforderungskriterien für die Recruiterstelle:

  • sehr gute deutsche und englische Sprachkenntnisse,

  • Kenntnisse des deutschen und britischen Arbeitsmarkts,

  • Vertrautheit mit dem deutschen und dem britischem Recruitingmarkt und den jeweiligen Suchkanälen,

  • Sensibilität gegenüber nationalen Unterschieden der Arbeitswelt.

Die Critical-Incidents- oder Bottom-up-Brille schaut in zweiter Perspektive auf besonders herausfordernde Situationen der Stelle.

Dabei ist zu überlegen, bei welchen Anlässen es für einen Stelleninhaber besonders kritisch und fordernd werden kann. Wann erlebt der Stelleninhaber Situationen, also Critical Incidents, die ihn an seine Grenzen bringen (könnten)? Wann wird es richtig schwierig oder auch stressig?

Praxisbeispiel

Ein mögliches Critical Incident für den Recruiter wäre die folgende Situation:

Ein großes und herausforderndes IT-Projekt bei einem britischen Kunden wurde gewonnen. In sechs Wochen ist der Start-Workshop, bei dem mit dem Kunden die Meilensteine des Projekts festgelegt werden und das Projektteam vorgestellt wird. Der Recruiter muss innerhalb von sechs Wochen Kandidaten für das Projektteam finden und gewinnen.

Dazu wird er nur in der Lage sein, wenn er über ein erprobtes Netzwerk von Personaldienstleistern, von IT-Freelancern und über gute Social-Media-Verbindungen verfügt, die es erlauben, in kürzester Zeit Kontakte zu aktivieren, um neue IT-Kollegen zu gewinnen. Der Recruiter muss auch in der Lage sein, alle Schritte des Recruitingworkflows zügig und organisiert innerhalb von sechs Wochen so zu steuern, sodass die Spezialisten zum Start-Workshop engagiert sind.

Welche Kompetenzen sollte ein Recruiter mitbringen, der diese kritische Situation erfolgreich bewältigt?

  • Vertrautheit mit allen Schritten des Recruitingprozesses und die Fähigkeit, diesen zügig und professionell zu managen,

  • hohe Zielorientierung: Der Recruiter muss alle Hindernisse überwinden wollen, die der pünktlichen Rekrutierung im Weg stehen.

  • Vorhandenes Netzwerk an Kontakten,

  • schnelle Reaktionsfähigkeit, um viele Recruitingkanäle parallel zu steuern,

  • Verständnis für das fachliche/technische Geschäft der Abteilung/des Projekts,

  • aktive Steuerung der Fachabteilung auf „Augenhöhe“, um zügig Feedback über Bewerber und Terminoptionen für Interviews zu erhalten,

  • Flexibilität, um schnell Termine zu organisieren.

Am besten sammeln Sie mehrere Critical...

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