Ingenieurpsychologie - Psychologische Grundlagen und Anwendungsgebiete

Ingenieurpsychologie - Psychologische Grundlagen und Anwendungsgebiete

 

 

 

von: Mark Vollrath, Bernd Leplow, Maria von Salisch

Kohlhammer Verlag, 2015

ISBN: 9783170288362

Sprache: Deutsch

218 Seiten, Download: 3416 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Ingenieurpsychologie - Psychologische Grundlagen und Anwendungsgebiete



2         Psychologische Modelle


 

 

 

Inhalt

Ein psychologisches Grundmodell zeigt einerseits, welche kognitiven Prozesse bei der Gestaltung der Mensch-Maschine-Interaktion berücksichtigt werden müssen und liefert eine Strukturierung der Aufgabengebiete der Ingenieurpsychologie. Andererseits kann so ein Überblick über vorhandenes Wissen geliefert werden, der in den folgenden Kapiteln bei den jeweiligen Anwendungsfeldern vertieft wird. Die Wahrnehmung und das Verständnis von visuellen Informationen sind bei einer Vielzahl technischer Systeme wesentlich. Mit dem SEEV-Modell wird ein Grundverständnis über das Zusammenspiel zwischen Wahrnehmung und Aufmerksamkeit vermittelt. Die Darstellung des Modells der multiplen Ressourcen ergänzt dies im Hinblick auf geteilte Aufmerksamkeit und Doppeltätigkeiten. Damit sind wesentliche psychologische Themenbereiche beschrieben, die als Grundlage für die Anwendung im Bereich der Mensch-Maschine-Interaktion genutzt werden.

Der Ansatzpunkt der Ingenieurpsychologie ist es, das Wissen um kognitive Prozesse, die das Handeln von Menschen steuern, bei der Gestaltung der Mensch-Maschine-Interaktion zu nutzen und zu mehren. Es geht also darum, wie Menschen die Umwelt wahrnehmen, wie sie die aufgenommenen Informationen verarbeiten, diese im Hinblick auf ihre Handlungsziele bewerten und dann motorische oder sprachliche Reaktionen planen und ausführen, um ihre Ziele zu erreichen. Diese kurze Beschreibung enthält wesentliche Elemente eines psychologischen Grundmodells der Handlungssteuerung, das in Kapitel 2.1 dargestellt wird. Aus diesem Grundmodell ergeben sich typische Fragestellungen von Ingenieurpsychologen für die Entwicklung der Mensch-Maschine-Schnittstelle:

•  Welche Ziele verfolgt der Nutzer bei der Interaktion mit dem System?

•  Welche Informationen sollte das System liefern und wie sollten diese präsentiert werden?

•  Wie kann der Nutzer das System steuern und welche Bedienelemente werden genutzt?

Damit unterstützt das psychologische Grundmodell eine systematische, strukturierte Vorgehensweise bei der Gestaltung der Mensch-Maschine-Interaktion. Für die einzelnen Elemente des Modells liegen außerdem detaillierte, spezielle Modelle vor, in denen vorhandenes Wissen zusammengefasst ist, und aus denen sich direkt Konsequenzen für die Gestaltung ableiten lassen. So ist z. B. die visuelle Wahrnehmung in vielen Bereichen der wichtigste Zugang zu Informationen. Allerdings können nur die Objekte, die im Zentrum des Sehfeldes abgebildet werden, wirklich tief verarbeitet werden. Deshalb muss man beim Lesen die einzelnen Worte nacheinander fixieren, um so den Satz zu lesen und zu verstehen. Wenn wichtige Informationen aufgenommen werden sollen, muss man demnach dafür sorgen, dass diese entweder dort dargeboten werden, wo der Nutzer häufig hinschaut. Oder man muss durch eine entsprechende Gestaltung (z. B. Blinken) dafür sorgen, dass diese Objekte die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Das Grundmodell als strukturierendes Element für die verschiedenen Ansatzpunkte der Ingenieurpsychologie wird in Kapitel 2.1 dargestellt. Wesentliche Grundzüge der dabei beteiligten Prozesse werden dann jeweils im Rahmen der entsprechenden Aufgabengebiete vertieft. So findet sich in Kapitel 4 bei der Gestaltung visueller Informationen und Anzeigen ein Überblick über visuelle Wahrnehmung und Aufmerksamkeit. In Kapitel 5 über akustische, verbale und textliche Informationen werden Grundlagen des Hörens und der Sprachwahrnehmung dargestellt. Die Prinzipien der Motorik sind Thema in Kapitel 6, da diese wesentlich für die Bedienung von Systemen sind. Die Bewertung von Informationen und die Handlungssteuerung stehen dann im Zentrum, wenn sie die Rolle des Menschen in der Interaktion mit dem System ändern, was das zentrale Thema von Kapitel 7 (Mensch-Computer-Interaktion) und Kapitel 8 (Assistenz und Automation) ist.

Da die visuelle Wahrnehmung nicht nur bei der Mensch-Maschine-Interaktion ganz zentral ist, stellt Kapitel 2.2 mit dem SEEV-Modell (Wickens et al., 2003) das Zusammenspiel zwischen Wahrnehmung und Aufmerksamkeit dar. Anhand dieses Modells lässt sich am Beispiel der Gestaltung von Anzeigen weiter sehr gut demonstrieren, wie das psychologische Wissen dafür genutzt werden kann.

Das Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Sinnesmodalitäten und der Nutzung unterschiedlicher kognitiver Ressourcen wird im Modell der multiplen Ressourcen (Wickens, 2002) thematisiert, das in Kapitel 2.3 dargestellt wird. In vielen Anwendungsgebieten müssen unterschiedliche Informationen gleichzeitig aufgenommen und mehrere Tätigkeiten gleichzeitig ausgeführt werden. Dieses Modell zeigt einerseits die Begrenzungen der menschlichen Informationsverarbeitung, andererseits aber auch die Möglichkeiten, diese durch eine geschickte Gestaltung von Tätigkeiten zu überwinden.

Dieses Kapitel gibt damit einen Überblick über die wesentlichen kognitiven Prozesse, die bei der Gestaltung der Mensch-Maschine-Interaktion zu berücksichtigen sind. Diese psychologischen Grundlagen der Ingenieurpsychologie sind notwendiges Basiswissen für Anwender, gleichzeitig aber auch die Schnittstelle zur Grundlagenforschung im Bereich der Allgemeinen und Kognitiven Psychologie, die wesentlich zu diesem Grundwissen beiträgt. Verweise auf entsprechende Lehrbücher finden sich in Kapitel 2.5.

2.1        Psychologische Prozesse bei der Mensch-Maschine-Interaktion


Was geht in einem Nutzer vor, wenn er mit einem technischen System interagiert? Oder etwas vereinfacht an einem Beispiel: Was macht jemand, wenn er die Kaffeemaschine bedient, um eine Latte Macchiato zu bekommen? Abbildung 2.1 zeigt die bei der Mensch-Maschine-Interaktion beteiligten Prozesse im Überblick. Der Mensch nimmt ständig neue Informationen aus der Umwelt auf. Für die Mensch-Maschine-Interaktion sind besonders die Informationen relevant, die man durch Anzeigeelemente bzw. Displays erhält. Wenn man vor der Kaffeemaschine steht, fällt der Blick auf ein grünes Lämpchen – die

Abb. 2.1: Psychologisches Grundmodell der Informationsverarbeitung des Menschen bei der Interaktion mit technischen Systemen (Mensch-Maschine-Interaktion)

Maschine ist also betriebsbereit. Man sucht nun den Knopf, mit dem man die Latte herstellen kann und findet auch ein entsprechendes Symbol (welches?). Wenn man den Knopf drückt, erscheint auf einem kleinen Bildschirm eine Meldung (»Ihr Getränk wird zubereitet«). Danach beginnt die schäumende Milch in die untergestellte Tasse zu fließen.

Dieses Beispiel verdeutlicht einige relevante Arten von Informationen bei der Mensch-Maschine-Interaktion: Dargestellt werden der Zustand (An/Aus), die Bedienmöglichkeiten (Labels) und die Aktionen des Systems (Kaffee kochen). Umweltinformationen (»Die Milch fließt«) tragen weiter dazu bei, dass der Nutzer versteht, was die Maschine tut und welche Handlungsmöglichkeiten er hat. Dabei sind die verschiedenen Sinneskanäle in unterschiedlichem Maße beteiligt. Man sieht die Symbole und liest Meldungen, hört die Milch fließen und spürt, wie der Knopf etwas nachgibt, wenn man ihn drückt.

Die spielt damit eine ganz zentrale Rolle bei der Mensch-Maschine-Interaktion. Sie erfolgt über die verschiedenen Sinneskanäle, wobei Sehen, Hören und Fühlen (Haptik) sicherlich die wichtigsten Sinne sind. Entsprechend beschäftigen sich in diesem Buch zwei eigene Kapitel mit den jeweils typischen Eigenschaften der visuellen ( Kap. 4) und akustischen ( Kap. 5) Wahrnehmung bzw. der Gestaltung der entsprechenden Anzeigen. Haptische Informationen werden vor allem bei der Bedienung bedeutsam, da für die Ausführung von Handlungen die direkte Rückmeldung über das Bedienelement für die Steuerung und Überwachung des Handlungserfolgs notwendig ist. Dies wird in Kapitel 6 dargestellt.

Von der reinen Wahrnehmung ist das Verstehen der aufgenommenen Informationen zu trennen. Im Beispiel war dies nicht unterschieden worden, und auch im Erleben scheint es so, als würde man das, was man wahrnimmt, auch sofort verstehen und interpretieren. Die Grundlagenforschung hat gezeigt, dass es sinnvoll ist, hier zwischen zwei Arten von Prozessen zu unterscheiden, die allerdings im Wesentlichen unterbewusst ablaufen und deshalb nicht erlebt werden. Im visuellen Bereich geht man zum Beispiel davon aus, dass zunächst Basiseigenschaften für alle Objekte im Sichtfeld wahrgenommen werden. Eine Identifikation und ein Verständnis der Objekte sind allerdings nur für einen begrenzten Teil möglich. Aufmerksamkeit spielt hier eine wesentliche...

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